Renault hat sein E-Auto-Angebot um den Mégane E-Tech erweitert. Kann der neue Kompakte gegen starke Konkurrenten wie den VW ID.3 oder Škoda Enyaq punkten? ADAC Test, Daten, Bilder, Preis
Elektrischer Kompaktwagen mit 4,21 Metern Länge
Zwei Batteriegrößen: 40 und 60 kWh
Reichweite von rund 360 Kilometern mit 60-kWh-Batterie im Test
Er ist der große Bruder von Renault Zoe und Twingo Electric: Seit Frühsommer 2022 tritt der Mégane E-Tech Electric (in der Preisliste heißt er Mégane E-Tech 100% elektrisch) gegen starke Konkurrenten wie den VW ID. 3 und Škoda Enyaq an. Er ist mit zwei Batteriegrößen zu haben und kommt laut Hersteller je nach Version bis zu 470 Kilometer weit. In der Realität sieht es ein bisschen anders aus. Doch davon später mehr.
Während VW noch Milliarden in den Aufbau des modularen Elektrifizierungsbaukasten MEB investierte, war Renault vor allem mit dem Zoe in vielen Ländern schon Marktführer. Gut 400.000 in Europa verkaufte E-Fahrzeuge in den letzten zehn Jahren sind der beste Beweis für die Elektro-Expertise der Franzosen. Und um die acht Prozent elektrischer Marktanteil sind auch eine Hausnummer. Auf der CMF-EV Plattform, die auch der Partner Nissan nutzt, will Renault in den nächsten Jahren eine ganze Flut von neuen Akku-Autos bringen. Elektrischer Erstling: Der Mégane E-Tech Electric, der kurz vor dem Deutschland-Start noch den offiziellen Namenszusatz "100 % elektrisch" bekam.
Zwar trägt er einen traditionellen Namen, hat aber mit dem Mégane, wie wir ihn kennen, außer der in etwa vergleichbaren Länge von 4,21 Metern nicht mehr viel gemein. Denn mit der neuen Plattform wächst der Radstand auf platzschaffende 2,69 Meter. Und auch wenn die Batterie im Boden mit elf Zentimetern Höhe eine der flachsten am Markt ist, geht der Kompakte mit 1,50 Metern spürbar in die Höhe. Allerdings reckt er sich nicht ganz so weit wie VW ID.3. Vor allem machen die Franzosen nicht mit bei der fast schon wieder langweiligen Crossover-Mode: Mit seinen schmalen LED-Scheinwerfern, fast schon sinnlich weit ausgestellten Hüften und einer ausgesprochen knackigen Kehrseite macht der Mégane eher auf jugendlicher Verführer. Allenfalls der Cupra Born kann da optisch noch mithalten.
Die Insassen fahren gut im Mégane E-Tech. Denn wie bei allen um den Elektroantrieb herum konstruierten Modellen gibt es mehr Platz als üblich: Zwar sitzt man wegen der Batterien im Untergeschoß etwas höher als im Mégane und muss deshalb hinten auch ein wenig den Kopf einziehen, doch dafür fällt der Einstieg vorne wie hinten leichter. So geht das Raumangebot auf den vorderen Plätzen für die Kompaktklasse in Ordnung, vor allem weil keine durchgehend breite Mittelkonsole die Bewegungsfreiheit der Beine einschränkt. Die Beinfreiheit reicht für knapp 1,95 Meter große Menschen, die Kopffreiheit würde selbst deutlich über zwei Meter großen Personen genügen.
Im Fond sorgen die hohe Gürtellinie und die vergleichsweise flachen Fenster subjektiv für ein Gefühl von Enge, was objektiv aber nicht gerechtfertigt ist. Sind die Vordersitze für 1,85 Meter große Personen eingestellt, reicht die Beinfreiheit dahinter für gut 1,90 Meter große Leute; die stoßen dann allerdings schon mit dem Kopf an den Dachhimmel, denn dort endet das Platzangebot bei knapp 1,85 Meter Körpergröße.
Einmal in zweiter Reihe Platz genommen, lässt es sich aber auch auf längeren Strecken aushalten. Den Füßen und Beinen wird verhältnismäßig viel Bewegungsfreiheit eingeräumt. Als Kofferraumvolumen gibt Renault 440 bis 1332 Liter an. Nach der Messmethode des ADAC bleiben immerhin 420 bis 1150 Liter übrig. Allerdings entsteht auch bei umgeklappten Rücksitzen keine ebene Ladefläche. Immerhin passen Ladekabel oder kleines Gepäck in das versteckte Fach unter der Kofferraummatte.
Renault hat sich anders als die Konkurrenz dafür entschieden, den Motor vorn zu installieren, weil das rund 100 Kilo an Gewicht für Kabel und Kühlung spart. Das kostet die Franzosen zwar das praktische vordere Ablagefach (Frunk), schafft dafür aber mehr Platz für Koffer im Heck. Der Briefkastenschlitz von Heckscheibe ist in punkto Übersichtlichkeit eigentlich ein Unding. Allerdings spendiert Renault dem Fahrer dafür einen elektronischen Rückspiegel, der die Kameras des Mégane nutzt, um ein überbreites digitales Bild des rückwärtigen Verkehrs zu zeigen. Funktioniert prinzipiell gut, doch vor allem Nutzer von Gleitsichtbrillen müssen sich an das digitale Bild erst gewöhnen.
Im hochwertig gestalteten Innenraum ist ein Touchscreen in Form einer liegenden "1" der beherrschende Blickfang: Er beginnt hinter dem Lenkrad, zieht sich von dort in Richtung Mitte des Armaturenbretts und biegt hier nach unten ab. Die beiden Displays kommen zusammen auf 24 Zoll. Von Fahrer oder Fahrerin sind die gewünschten Inhalte frei konfigurierbar. Die gute Auflösung beider Bildschirme überzeugt ebenso wie die zumindest im Stand einfache Bedienung, wenn alle möglichen Inhalte erstmal gelernt sind. Das System reagiert nicht nur schnell auf Eingabebefehle, es nutzt für das Navigationssystem auch die sehr übersichtlichen Google-Karten. Selbst die Sprachbedienung funktioniert tadellos und blitzschnell über den Google-Assistenten. Wichtig für Elektroautos: Die Routenführung berücksichtigt auch den Füllstand des Akkus und kalkuliert bei Bedarf Ladestopps mit ein.
An einige Kniffe wie die separate Bordcomputer-Anzeige im Tachodisplay muss man sich erst gewöhnen. Zwischen eigenen Apps, Fahrzeugeinstellungen oder Navi-Funktionen kann über direkte Touchflächen am oberen Bildschirmrand gewechselt werden. Die wichtigsten Klima-Funktionen haben ein eigenes Bedienteil unterhalb des Touchscreens. Etwas verwirrend: Die Klimaelemente auf dem Touchscreen dienen dagegen nur als Anzeige.
Bei der Motorisierung selbst bewahrt Renault erst einmal Bodenhaftung und beschränkt sich auf einen Motor für die Vorderachse, der im Basismodell 130 und in der getesteten Topversion 218 PS leistet. Und mit dem kommt die Fahrfreude nicht zu kurz. Zwar wird analog zu VW bei 160 km/h abgeriegelt. Aber erstens schafft der elektrische Mégane den Sprint von null auf 100 km/h in 7,4 Sekunden. Und zweitens geht ihm auch jenseits von 120 km/h nicht die Luft aus, sondern der Elan hält bei Vollgas durchweg an, bis die Elektronik ihm den Stecker zieht. Den Überholvorgang von 60 auf 100 km/h schafft der Franzose in kurzen 3,5 Sekunden. Auch die Messung bei höherem Tempo (80 bis 120 km/h) ist mit 4,4 Sekunden zügig erledigt.
Bei nasser Fahrbahn oder in engen Kurven kann es bei Volllast allerdings zu leichten Traktionsproblemen und einem kurz durchdrehenden Vorderrad kommen. Die Elektronik versteht solche Manöver aber gekonnt zu unterdrücken.
Die ADAC Autotest-Ergebnisse beruhen auf akribischen Messungen: Mehr als 300 Prüfpunkte untersuchen die Testingenieure des ADAC Technikzentrums in Landsberg am Lech. Vom Platzangebot über die Sicherheit bis hin zum Schadstoff- und CO₂-Ausstoß reicht die Bandbreite.
ADAC Autotest: Das steckt dahinter
Fahrkomfort messen – wie kann das funktionieren?
So sieht der Alltag einer Autotesterin beim ADAC aus
Auch wenn der Renault Mégane eher auf komfortabel getrimmt wurde, die sportliche Gangart beherrscht er ebenso. Selbst bei anspruchsvollen Lenkmanövern wie dem ADAC Ausweichtest lässt sich seine Fahrstabilität nicht grundsätzlich aus der Ruhe bringen. Das bei Lastwechseln leicht werdende Heck hat die Regelelektronik schnell und sanft wieder unter Kontrolle. So liegt der Mégane sicher und souverän auf der Straße. Die Lenkung präsentiert sich nicht besonders gefühlvoll. Das erste Ansprechen ist betont zackig, danach verliert die Umsetzung von Richtungsbefehlen etwas an Biss.
Den kombinierten WLTP-Verbrauch gibt Renault mit 16,1 kWh/100 km an. Im ADAC Ecotest wurden daraus 19,4 kWh, Ladeverluste inklusive. Um die 60 kWh (netto) große Batterie einmal komplett von leer auf voll zu laden, werden 70,4 kWh benötigt. Trotz der E-Auto-typischen Ladeverluste ist das Antriebssystem des Renault Mégane E-Tech Electric effizient und erreicht im Ecotest alle fünf möglichen Sterne. Der Stromverbrauch des Motors (ohne Ladeverluste) bedeutet im Umkehrschluss, dass der E-Franzose eine Reichweite von etwa 365 Kilometern schafft.
Das Design geschickt weiterentwickelt ohne zu erschrecken, den Innenraum wirkungsvoll digitalisiert: Da darf die Batterie-Technik nicht hintanstehen – auch wenn Akku-Pakete von 40 und 60 kWh eher durchschnittlich sind. Aufgeladen wird der größere Unterflur-Akku entweder über das mitgelieferte Mode-3-Kabel an einer Wallbox bis zu 22 kW oder über das 400 Euro teure, extra erhältliche Ladegerät an einer 230-Volt-Haushaltsteckdose. Am CSS-Stecker an einer Schnellladesäule mit Gleichstrom ist die Ladeleistung auf 130 kW begrenzt.
Allerdings steigt sie nur unter günstigen Bedingungen auf diesen Wert und dann auch nur kurz. Daher braucht es am Ende doch mehr als 40 Minuten, um den Akkustand von 10 auf 80 Prozent zu bringen. Die durchschnittliche Ladeleistung via CCS-Schnelllader hat der ADAC mit 72,8 kW von 10 auf 80 Prozent ermittelt (Ladekurve und weitere Elektro-Details siehe PDF weiter unten)
Damit der Strom möglichst lange reicht, zieht Renault Register, wie man sie sonst vor allem aus der Oberklasse kennt: Die Navigation wird nach Topographie und Verkehrsfluss optimiert, die Batterie zum Laden im vorauseilenden Gehorsam auf die passende Wohlfühltemperatur gebracht und das Energiemanagement für Akkukühlung und Innenraum-Klimatisierung gehört laut Renault zum effizientesten am Markt.
Renault verspricht eine Acht-Jahres-Garantie für die Batterien. Sollten sie in dieser Zeit unter eine Kapazität von 70 Prozent des ursprünglichen Werts fallen, tauscht Renault aus.
Für den Kunden ist die richtige Wahl der Ladetechnik knifflig. Soll er sich für die 131 PS-Basisvariante mit der 40 kWh-Batterie und dem Wechselstrom (AC)-Ladegerät mit der einphasigen 7 kW-Ladeleistung entscheiden ("standard charge")? Oder alternativ für den "boost charge" mit dem dreiphasigen Ladegerät für immerhin 22-kW-Wechselstrom und 85-kW-Gleichstrom? Oder lieber gleich "optimum charge" nehmen, mit dem serienmäßigen Bordladesystem für 22-kW-Wechselstrom und 130-kW-Gleichstrom? Dem Elektroauto-Einstiegskäufer macht Renault mit dieser Aufpreis-Politik die Wahl nicht gerade leicht. Denn man muss schon vorher wissen, dass in Deutschland einphasig maximal mit 4,6 kW geladen werden darf und der Zeitunterschied beim Laden zwischen 31 Stunden an der Haushaltssteckdose und guten 40 Minuten an der 130 kW-DC-Säule betragen kann. Um das E-Auto im Alltag flexibel einsetzen zu können und aufgrund des besseren Wiederverkaufswertes sollte ein E-Auto stets eine Schnelllademöglichkeit haben.
Den Preis für das Einstiegsmodell hat Renault bei 35.200 Euro angesetzt. Nach Abzug der derzeit gültigen E-Auto-Förderung liegt man dann bei rund 25.000 Euro. Das ist ein fairer Preis, doch die Versionen mit Schnellladung ab 37.100 Euro oder gleich mit größerer Batterie ab 41.700 Euro dürften für viele Kunden die bessere Wahl darstellen. Übrigens: Obwohl Renault fest an die elektrische Revolution glaubt, wird zur Sicherheit der konventionelle Mégane noch einige Jahre weitergebaut.
Renault Mégane E-TECH Electric EV60 220hp optimum charge Techno (ab 03/22)
Leistung maximal in kW (Systemleistung)
Leistung maximal in PS (Systemleistung)
Batteriekapazität (Brutto) in kWh
Kofferraumvolumen dachhoch mit umgeklappter Rücksitzbank
Länge x Breite x Höhe
Renault Mégane E-Tech Electric EV60 220hp optimum charge Techno
Verbrauch/CO₂-Ausstoß ADAC Ecotest
19,2 kWh/100 km, 96 g CO₂/km (Well-to-Wheel)
Bewertung ADAC Ecotest (max. 5 Sterne)
Innengeräusch bei 130 km/h
Renault Mégane E-TECH Electric EV60 220hp optimum charge Techno (ab 03/22)
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